Jugendschützer starten neue Offensive

Nov 23, 2023 #AVS, #Jugendschutz, #KJM, #Zensur
Jugendschutzbehörde

Der Streit um das Vorschalten eines AVS ist mindestens so alt wie die Tubes, die Hardcore in Massen, größtenteils werbefinanziert und ohne jede Anmeldung oder Verifikation des Alters anbieten. Urteile dazu gibt es genügend, beispielsweise aus dem Jahr 2021. Damals sollten u.a. YouTube, PornHub und MyDirtyHobby verpflichtet werden, ein AVS vorzuschalten. Nachdem dies zumindest nicht im geforderten Maße umgesetzt wurde, erfolgte die Anordnung von Netzsperren. Diese basierten auf DNS-Einträgen – und liefen erwartungsgemäß ins Leere. Etwa xHamster änderte schlicht die Domain und war wenige Stunden nach der “Sperre” wieder für Alle erreichbar.

Bisherige Netzsperren waren praktisch wirkungslos

Grund genug für die Landesmedieanstalt Nordrhein-Westfalen nun einen neuen Anlauf zu nehmen. Dies meldet zumindest netzpoltik.org. Demnach soll ein neues Verfahren im Gange sein das Provider verpflichten soll, neue Sperren einzurichten.

Indes: die tatsächliche Rechtslage ist mehr als unklar. Der Österreichische STANDARD brachte es im Oktober 2023 auf den Punkt: “Wie die Behörden es durchsetzen wollen, dass die Netzbetreiber zertifizierte Altersverifikationsverfahren für solche Portale umsetzen, ist aktuell völlig unklar….Dieser Prozess ist umständlich und wohl auch nicht von der aktuellen Rechtslage gestützt. Die Sperrungen könnten also noch sehr lange dauern oder auch nie umgesetzt werden.”

Hintergrund ist geltendes EU-Recht: Demnach müssen Zugangsanbieter Internetverkehr “unabhängig von dessen Herkunft, Inhalt, Anwendung, Absender, Empfänger in Netzen gleich behandeln”. Entsprechend zurückhaltend äußern sich deutsche Provider zu angeblich bevorstehenden Sperren.

Und es stehen noch weitere Vorschriften den Sperren entgegen, Denn der Jugendmedienschutz-Staatsvertrag sieht neuerdings vor, dass für entsprechende Maßnahmen der Anbieter seinen Sitz in Deutschland haben muss. Die im Visier der Jugendschützer stehenden Angebote werden jedoch von Aylo betrieben, das von Zypern aus arbeitet. Daher sieht beispielsweise auch heise.de Zweifel, “ob die Medienwächter und die letztlich verantwortliche Kommission für Jugendmedienschutz (KJM) überhaupt noch befugt sind, solche umstrittenen Anordnungen zu erlassen” und zitiert Rechtsexperten, die ins gleiche Rohr stossen. Aprospos KJM:

20 Jahre KJM: erst schwach angefangen, dann stark nachgelassen

Die Kommission für Jugendmedienschutz wurde bereits 2003 ins Leben gerufen und bemüht sich seither, aus ihrer Sicht notwendige Alterskontrollen im Netz durchzusetzen. Den Erfolg von zwei Jahrzehnten aufwändigster Bemühungen kann jeder schnell beurteilen, der die entsprechenden Tubes aufruft. Doch neben möglicherweise mittlerweile mangelnder Befugnis hat die KJM noch ganz andere Probleme. In Wikipedia wird deren Rechtsstatus folgendermaßen beurteilt: “In der Rechtsliteratur wird vereinzelt die Meinung vertreten, dass die KJM eine verfassungswidrige Mischbehörde aus Vertretern des Bundes und der Länder sei und somit als juristisches Nullum anzusehen sei.”

KJM “möglicherweise verfassungswidrige Mischbehörde”

Kein Wunder also, dass der Sonderweg im “deutschen Internet” international häufig belächelt wird.

Hinzu kommt, dass sich solche Sperren sehr einfach aushebeln lassen. Erfolgen sie auf DNS-Ebene genügt es bereits, einen alternativen Nameserver im Browser einzutragen. Ebenso sind auch technisch wenig versierte Nutzerinnen und Nutzer in der Lage, ein VPN oder Tor-Browser zu nutzen, um deutsche Sittenwächter auszutricksen.

Methoden wie in autoritären Regimen

Die Netzsperren sind dabei generell keine deutsche Erfindung. “Sie werden nämlich auch in autoritären Regimen eingesetzt, um Grundrechte wie Meinungsfreiheit einzuschränken.” (netzpolitik.org) Aus den dortigen Erfahrungen resultieren letztendich auch die Bemühungen von Tor und VPN-Diensten. Manche Browser wie beispielsweise Opera bieten bereits standardmäßig und völlig kostenlos VPN an um Datenschutz zu gewährleisten und den eigenen Standort zu verschleiern. Damit genügt für jeden genau ein Mausklick, um geplante Sperren auszuhebeln.

Weitere Infos:

https://www.heise.de/news/Pornhub-Co-Grundsatzstreit-ueber-Befugnis-von-Medienwaechtern-zu-Pornosperren-9353286.html

https://www.derstandard.de/story/3000000191960/deutschland-macht-gegen-pornoportale-wie-pornhub-mobil

https://de.wikipedia.org/wiki/Kommission_f%C3%BCr_Jugendmedienschutz

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