EU: Neuer AVS-Anlauf gegen Stripchat, Pornhub und XVideos

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Bereits im letzten Jahr enschied eine EU-Kommission, dass die drei Plattformen ein AVS vorschalten müssen (CASZIN berichtete). Hintergrund ist, dass Stripchat, Pornhub und XVideos als VLOPs, also „Very Large Online Platforms – sehr große Online Plattformen“ mehr als 45 Millionen Besucher erreichen. Dies schreibt das „Gesetz über Digitale Dienste DSA“ (Digital Service Act) vor. Sollten die Betreiber den Verpflichtungen nicht nachkommen, drohen empfindliche Strafen – zumindest angeblich.

Pornhub umgeht die Verpflichtung bereits erfolgreich

Als Datum für die Verpflichtung wurden für Pornhub der 21. April sowie for Stripchat und XVideos der 23. April 2024 genannt. Allerdings: Pornhub hat heute (21. April) schlicht seine Domainendung geändert samt einer Weiterleitung von der ursprünglichen Domain aus. Somit ist die Seite ganz wie gewohnt weiterhin erreichbar – ganz ohne AVS. Die Vorgehensweise erinnert an die Reaktion von XHamster im vergangenen Jahr, als die umstrittene Kommission für Jugendmedienschutz KJM eine ähnliche Sperrverfügung verhängte. Auch diese lief komplett ins Leere dank einer trivialen Änderung im Domainnamen. Wer auch nur minimal technisch begabt bzw. informiert ist, könnte eine solche Sperre – sollte sie jemals eingerichtet werden – ohnehin mit einfachsten Mitteln umgehen: Beispielsweise der Opera Browser bringt von Haus aus ein kostenloses VPN mit. Nach genau zwei Mausklicks gaukelt man vor man käme von außerhalb der EU und ist sofort mittendrin im Vergnügen.

Als würde man einen Pudding an die Wand nageln wollen

Nach dem kompletten Scheitern der KJM bei XHamster (einem Scheitern von Vielen) droht der EU-Kommission nun ein ähnliches Schicksal. Wenn schon trivialste technische Änderungen ausreichen um EU-Recht auszuhebeln, mutiert auch die EU-Kommission in diesem Bereich offenbar zum Papiertiger. Es ähnelt dem Versuch, einen Pudding an die Wand zu nageln. Noch bleibt abzuwarten, wie StripChat und XVideos auf die Verpflichtung reagieren, die eigentlich schon seit Februar existiert. Ein AVS wäre in jedem Fall enorm schädlich für die Umsätze, im Fall von StripChat auch für die zahlreichen deutschen Frauen, die dort unterdessen vor der Cam gutes Geld verdienen.

pornhub werbetafel

Ein Streitpunkt kann tatsächlich auch sein, ob die Plattformen die Grenze von 45 Millionen Besuchern – eine willkürliche Zahl die etwa 10% der EU Bevölkerung entspricht – tatsächlich auch erreichen. Die vollmundigen Werbeversprechen gehen zwar weit darüber hinaus, schließen aber weitere Plattformen wie RedTube und YouPorn mit ein. Denkbar wäre also auch eine weitere Diversifizierung und damit verbundene Unterschreitung der magischen Grenze – und schon würden die Plattformen nicht mehr als „VLOPs“ gelten.

Wie schädlich ist Pornografie ?

Diese fast schon philosophische Frage scheint bei der Entscheidung der EU-Kommission offenbar keine Rolle gespielt zu haben. Immerhin gibt es auch bei der Auswirkung auf Jugendlichen erhebliche Zweifel an den behördliche vertretenen Standpunkten – vor allem bei Expert:innen wie beispielsweise Madita Oeming, deren interessantes Buch zum Thema wir hier vorstellten. Völlig unklar bleibt in jedem Fall, warum der Besuch einer Pornoseite, die von nur 44 Millonen Besuchern frequentiert wird, für Jugendliche komplett unschädlich sein soll. Die Schädlichkeit tritt per Gesetz ja schlagartig erst ab der 45. Million ein.

Strafandrohung von 6% des Jahresumsatzes plus Zwangsgelder

Der mögliche Strafrahmen ist trotz mangelhafter Logik in vielen Bereichen der Vorschriften dabei nicht von Pappe: Grundsätzlich drohen Geldbußen bis zu 6 Prozent sowie Zwangsgelder in Höhe bis zu 5 Prozent des Jahresumsatzes. Bei den drei betroffenen Portalen dürften die Beträge weit im Millionenbereich liegen. Daher ist davon auszugehen, dass im Vorfeld eine Schar hochqualifizierter Anwälte eine Reaktion ausgeklügelt haben. Vielleicht genügt ja tatsächlich die minimale Änderung der Domain vollauf, um die öffentlichkeitswirksame Aktion der EU-Kommission komplett an die Wand fahren zu lassen. Ob weitere rechtliche Mittel zum Einsatz kommen können, wird sich zeigen. In jedem Fall bleibt es spannend – und den Kunden weiterhin der Trost: es gibt zuhauf andere Tubes und Chatportale, die von den Vorschriften von vornherein nicht betroffen sind – und es gibt VPNs.

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