Am 28. Juni 2025 tritt das Barriefreiheitsstärkungsgesetz (BFSG) in Deutschlang in Kraft. Die Auswirkungen sind auch für das Adultbusiness umfassend. Grundsätzlich dient es dazu, „Barrierefreiheit von Produkten und Dienstleistungen zu gewährleisten und die Teilhabe von Menschen mit Behinderungen zu fördern.“ Es handelt sich um eine Umsetzung der Europäischen Barrierefreiheitsrichtlinie (EAA) und soll den gleichberechtigten Zugang zu Produkten und Dienstleistungen für alle ermöglichen.
Welche Konsequenzen genau ergeben sich für Erotikangebote?
Die neuen Vorschriften sind weitreichend und umfassend. Grundsätzlich sind unter anderem sämtliche Kommunikationsdienstleistungen erfasst. Bildinhalte, Videoinhalte und Livestreams fallen also darunter.
Vor dem 28. Juni 2025 veröffentlichte Inhalte sind ausgenommen
Dis ist erst einmal eine gute Nachricht. Denn alles, was vor dem Stichtag schon im Netz stand, ist somit ausgenommen. Für neue Inhalte aber wird es spannend.
Barrierefreiheit für Videos, Fotos und Livestreams gefordert
Auf den ersten Blick erscheint ein barrierefreier Zugang zu Erotikmedien zunächst einmal widersinnig. Doch ist das wirklich so ? Es gibt Menschen mit unterschiedlichsten Einschränkungen, wie Seh- oder Hörbehinderungen in zahlreichen Varianten. Auch diese sollen selbstverständlich in den Genuss von Erotik kommen. Wer ein eingeschränktes Sehvermögen hat, kann unter bestimmten Voraussetzungen eben doch auch eine Camshow verfolgen sowie Videos oder Bilder betrachten. Allerdings müssen hierzu einige Voraussetzungen seitens des Anbieters erfüllt sein.
Alternativtexte für Bilder, Untertitel für Videos und ein klar strukturiertes Layout
Vieles davon ist aus SEO-Gründen ohnehin sinnvoll. Jetzt aber wird es zur gesetzlichen Pflicht. Eine schlichte Beschreibung des Videos wird vermutlich ab jetzt aber nicht mehr ausreichen. Gerade viele Amateure bieten nicht nur reine Gonzo oder Action Videos ohne jede Handlung neben den rein sexuellen Aktivitäten an, sondern im Gegenteil: für Viele ist es sehr umsatzförderlich, tatsächlich kleine Stories um die Erotik Handlungen drumherum zu bauen. Genau dafür müssen ab jetzt – manuell oder automatisch – Untertitel angezeigt werden. Die Aktion Mensch definiert es so: „Alles, was zu sehen und zu hören ist, sollte einem weiteren Sinn zugänglich gemacht werden.“
Was bedeutet Barrierefreiheit bei Webseiten generell ?
Barrierefreiheit bei Webseiten im Allgemeinen bezieht sich darauf, dass digitale Inhalte und Dienste so gestaltet sind, dass sie von allen Menschen, einschließlich Menschen mit Behinderungen, leicht genutzt werden können. Dafür ist folgendes sicherzustellen:
- Visuelle Zugänglichkeit: Menschen mit Sehbehinderungen oder Blinde können die Inhalte über Screenreader oder durch Anpassungen des Kontrasts und der Schriftgröße wahrnehmen.
- Auditive Zugänglichkeit: Menschen mit Hörbehinderungen können die Informationen auch in visueller Form, z.B. durch Untertitel oder Transkripte, aufnehmen.
- Motorische Zugänglichkeit: Personen mit motorischen Einschränkungen können die Seite mit der Tastatur oder Alternativen zu Mausinteraktionen bedienen.
- Kognitive Zugänglichkeit: Die Inhalte sollen so gestaltet sein, dass sie für Menschen mit kognitiven Einschränkungen verständlich und intuitiv sind.
Um Barrierefreiheit zu erreichen, sollten Webentwickler und Designer bestimmte Standards und Richtlinien befolgen, wie z.B. die Web Content Accessibility Guidelines (WCAG). Diese Richtlinien beinhalten Prinzipien wie Wahrnehmbarkeit, Bedienbarkeit, Verständlichkeit und Robustheit, um sicherzustellen, dass alle Nutzer, unabhängig von ihren Fähigkeiten, Zugang zu den Informationen auf der Webseite haben.
Barrierefreie Altersverifikation
Das Thema AVS könnte noch zur Herausforderung werden. Der unterdessen meist automatisierte Vorgang per Web- oder Handycam mag in vielen Fällen einfach und schnell funktionieren. Ob der Vorgang tatsächlich „robust“ im Sinne des BFSG und für Menschen mit Behinderungen problemlos zugänglich ist, wird eine ganz andere Frage sein.
Kleinstunternehmen ausgenommen
Einige werden an dieser Stelle aufatmen können: wer weniger als zwei Millionen € pro Jahr umsetzt und weniger als zehn Mitarbeiter hat, ist vom neuen Gesetz ausgenommen. Allerdings genügt schon die Erfüllung eines der beiden Kriterien, um doch unter das Barriefreiheitsstärkungsgesetz zu fallen.
B2B nicht betroffen
Reine Business-to-Business Angebote sind ebenso ausgenommen. Doch Fan-, Cam- oder Videoportale sind naturgemäß auf Endkunden ausgerichtet und damit B2C.
Camgirls mit Einschränkungen
Ein wichtiger Aspekt, der auch nicht vernachlässigt werden sollte: es gibt auch Camgirls oder Creator mit Einschränkungen. Auch diesen sollte der Zugang in dem Fall gewissermaßen zum anderen Ende der Cam Show so einfach wie möglich gestaltet werden. Warum sollte nicht eine blinde Frau mit Erotik vor der Cam Geld verdienen können?
Audits, Abmahnungen, Anwälte: eine ganze Branche freut sich schon
Wer heute zu dem Thema googelt, bekommt schnell den Eindruck, die Glücksritter sind bereits in den Startlöchern, reiben sich die Hände und freuen sich auf den Stichtag 28. Juni 2025. Und tatsächlich kann es für alle, die ihre Hausaufgaben bis dahin nicht gemacht haben, möglicherweise teuer werden. Zwar ist in Deutschland das Unwesen der Abmahnungen seit einigen Jahren in einigen Bereichen eingeschränkt, aber durchaus nach wie vor vorhanden. Zudem ist das Gesetz in vielerlei Hinsicht schwammig formuliert, so dass die konkrete Ausgestaltung vermutlich einmal mehr vor Gericht stattfinden wird.
Weitere Infos:
https://www.aktion-mensch.de/inklusion/barrierefreiheit/barrierefreiheitsstaerkungsgesetz